Reportage Unwetter in Arnsberg (Sauerland) 9./10. August 2007

[Julian Stratenschulte]

Hallo zusammen,

anbei möchte ich euch eine Fotoreportage der letzten 24 Stunden zeigen. In meiner Heimatstadt Arnsberg ist am gestrigen Abend ein schweres Unwetter niedergegangen - mit bis zu 100 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Im Einsatz waren mehr als 600 Hilfskräfte von Feuerwehr, Polizei, THW, Malteser, DLRG, Rote Kreuz u.a.
Mehrere, vor allem an Waldrändern gelegene Wohngebiete wurden überflutet: Häuser, Keller, Autos etc. wurden beschädigt.
Ein 61-jähriger Arnsberger wurden in seinem Keller von den Wassermassen überrascht und ertrank. Zwischenzeitlich waren mehrere Stadtteile von der Außenwelt abgeschnitten.


Die nachfolgenden Fotos entstanden primär für die Deutsche Presse Agentur (dpa):

[Julian Stratenschulte]

Und dann noch ein kleines Making of...:

Ich arbeite seit vier Jahren als freier Fotojournalist für verschiedene Agenturen und Tageszeitungen.

Gestern Nachmittag hatte ich einen Termin in Oberhausen. Mittags hatte ich noch im Radio von einer Unwetterwarnung für den Abend gehört und habe "wegen so einem Gefühl im Bauch" einfach mal Regenhose, Regenjacke, u.ä. ins Auto gepackt. Um 20.30 Uhr war ich dann in meiner Wohnung in Dortmund und bekam einen Anruf aus Arnsberg vom Lokalchef der Westfälische-Rundschau, mit einem Hinweis auf eine enormes Unwetter. Ich bin sofort nach Arnsberg losgefahren, die Autofahrt war unglaublich: Platzregen, Sichtweiten unter 100 Meter. In Arnsberg angekommen waren die Autobahnabfahrten gesperrt - ich hab glücklicherweise noch einen Weg gefunden. Die Lage vor Ort war dann total chaotisch. Zuerst bin ich zur Leitzentrale gefahren, dort ging es wirklich drunter und drüber: Unzählige Einsätze gleichzeitig. Wohin fährt man zuerst? Ich hab mich für den nächstgelegenen Ortsteil entschieden.
Beim Losfahren bei der Feuerwehr missachtet eine andere Verkehrsteilnehmerin im Chaos die Vorfahrtsregel - es kommt zum kleinen Unfall mit Blechschaden. Die Polizei steht nur 50 Meter entfernt: Nach 10 Minuten kann ich endlich losfahren. Zum Glück ist nichts passiert.
Im ersten Ortsteil wird gerade die Hauptstraße überschwemmt. Die Polizei hat keine Kräfte die Straße zu sperren. Nach einigen Fotos halte ich selbst die Autofahrer auf, bevor sie samt Fahrzeug baden gehen...
Von dort in den nächsten Ortsteil über mehrere Umwege (ich will schließlich nicht mit dem Wagen schwimmen gehen). Auto auf einem Berg stehengelassen, ab ins Tal. Das Wasser geht mir bis zu den Knien. Im Platzregen säuft der Blitz ab. Zudem Stromausfall - alles stockfinster. Nach langen Suchen schenkt mir ein Anwohner seinen 30 Jahren alten Blitz. Er funktioniert - wenn auch nur voll manuell. Ich fotografiere bis 1.00 Uhr, fahre zum nächsten Ortsteil. Kein Durchkommen - Wasser steht fast ein Meter hoch. Nach vier Stunden Fotografieren geht nichs mehr. Ich fahren nach Hause. Duschen, und dann endlich schlafen um 2.30 Uhr.

Morgens um 8.00 Uhr schellt das Handy. "Gibt es Unwetter-Bilder von der Nacht aus Arnsberg", fragt die dpa. Ich schicke die Fotos, fahren sofort wieder los um die Schäden zu dokumentieren.
Endlich komme ich nach Arnsberg-Niedereimer durch, wo die Schäden mit am größten sind. Hier sind nachts sogar Autos durch die Straße geschwommen.
Ein mir bekannter Feuerwehrmann gibt den Tipp, dass man gerade ein Auto einer aufgerissen Straße gefunden hätte. Nach 10 Minuten bin ich dort. Es wird das eindrucksvollste der Fotoserie werden. Die Fahrerin steht neben ihrem Wagen. In der Nacht war sie in das Loch in der Straße gestürt und in den Wassermassen Richtung Heimat gelaufen. Sie ist unverletzt, es geht ihr gut. Glück im Unglück. Die Fotos schicke ich sofort weg (15 Minuten später sind die schon Aufmacher bei bild.de). Weiterfahrt in die anderen Stadtteile. Überall Aufräumarbeiten. Ich höre hunderte Geschichte.
Dann gehts in die Redaktion (für die Westfälische-Rundschau fotografiere ich nicht nur, sondern verfasse auch Reportagen), schreibe eine lange Reportage für die Gesamtausgabe. Heute, 20.30 Uhr. Endlich fertig. 24 Stunden Arbeit, viele Fotos und Eindrücke. Geschafft, vorbei - der morgige Blick in die Zeitungen wird zeigen, ob sich die Arbeit gelohnt hat.

Und wenn es jemanden interessiert: Meine Text-Reportage der Unwetternacht für die Gesamtausgabe der Westfälische-Rundschau: HIER KLICKEN

[mrpalme]

hi,

sehr interessant! vor allem das "making of" hat mich sehr interessiert!
habe schon öfters mal auf deine homepage geschaut weil eine freundin von mir dich wohl kennt und diese arbeit gliedert sich in das restliche sehr hochwertige material ein!

gruß
micha

[Gondomir]

Du hast meine volle Bewunderung.
Ich komm mir so alt vor....

[HJKoester]

Die Betroffenen kann man nur bedauern - aber Du hast ne klasse Reportage draus gemacht. Deine Schreibe ist gekonnt und Deine Bilder sind ohnehin immer gut.

Glückwunsch und freundliche Grüße
Hans-Jürgen

[FotoKnobi]

das is

ich finds gefährlich + gutes bild zugleich

nundenn du hast einen richtig guten job gemacht - soweit ich das beurteilen kann

lg

[BenKasparick]

Richtig gute Bilder und eine erstklassige Arbeit! Meinen Respekt und bitte mach immer weiter so!

Ich wünsche dir, dass sich diese Arbeit für dich lohnt!


MfG,

Ben


PS: Finde ich übrigens sehr gut, dass du quasi den Autofahrern geholfen hast indem du sie am Weiterfahren gehindert hast, da sie ja sonst abgesoffen wären (wenn auch nur das Auto). Manch ein anderer hätte das nicht gemacht.

PS2: Hast du auch Bilder von den Maltesern im Einsatz? Würde mich nur mal so interessieren, da ich auch einer bin.

[Thosse]

Hallo,
das ist ja ein toller Bericht von Dir den ich gerade nur durch Zufall gefunden habe. Klasse Bilder hast Du da gemacht. Aber das ist mal wieder ein scheiß Sommer, gestern Abend dachte ich die Fenster gehen gleich kaputt. Selten habe ich so einen harten Donner gehöhrt. Ich hoffe mal das in Ense nicht soviel Wasser herunter gegangen ist. War seit einer Woche nicht mehr in meinem Studio. Finde Deine Arbeiten sehr gut und wünsche Dir weiterhin gutes Licht.

[tux]

gratuliere, super reportage und making of!

[imagedeluxe]

da kann ich nur eins dazu sagen: respekt, einfach toll...

grüße

christian