Der Weg zum Samen

[aisen.ch]

Ich hab den Auftrag, verschiedene Pflanzensamen aufzunehmen. Es gibt viele tolle Beispiele im Netz wie sowas mit Samen aussehen kann. Kann ja nicht so schwierig sein, also hab ich den Auftrag angenommen.

Ich hab ja ein Lupenobjektiv. Und irgendwo noch einen Canon MT-24EX. Also alles aufgebaut und noch einen Speedlite 600 EX RT dazu als Hintergrundlicht und los von Rom. Mit dem Setup hab ich bisher vor allem Insekten fotografiert:



Da ich da wohl etwas blauäugig ranging wurde mir schnell klar. Ich habe mal den von den kleinsten Samen (Viola tricoloR) was rausgesucht und auf eine Glasplatte gelegt.

Hier ist das erste Problem, das Luppenobjektiv ist zu dick damit ich mit der 5:1 Vergrösserung den Samen in den Fokus bekomme. Also hab ich ein Trink-Glas gesucht, welches einen möglichst ebenen Boden hat um die Samen in die Höhe zu bringen.

Zweites Problem, der 600EX-RT löst nicht immer aus obwohl er eigentlich vom MT-24EX angesteuert werden sollte. Hier habe ich dann meine Hähnel Captur verwendet um alle Blitze von der Kamera aus auszulösen.

Das Setup sieht dann in etwa so aus, wer kann sieht die Samen auf dem Glasboden:



Naja, die Ergebnisse sind so lala.


Ist übrigens 5:1 bei Blende 11. Ein glatter Glasboden ist bei der Vergrösserung doch nicht mehr glatt. Und einzeln sehen die Samen etwas langweilig aus.

Selbst bei Blende 11 ist die Schärfentiefe mager, doch hier ist das nächste Problem. Das Lupenobjektiv kann nicht selber fokussieren sondern das man dies mit dem hin und her schieben des Objektes machen muss. Odr mit einem Makroschlitten.

Für die Insektenmakros hab ich so ein Teil (wobei ich da meist Freihand unterwegs bin):

Der Schlitten ist in dem Fall nicht zu gebrauchen, ich muss mindestens 1/4mm in gerader Linie genau fahren können.

Das nächste Teil welches ich habe fällt auch weg da zu wacklig und lottrig:



Am Schluss bleibt man wie schon so oft bei Novoflex hängen und der Castel Q mit Cast-Fine Griff funktionieren auch in senkrechter Position mit dem Gewicht von Kamera, Objektiv und Blitz einwandfrei:





......

[aisen.ch]

Nachdem der Schlitten nun senkrecht funktioniert und ich somit das fokussieren einfach machen kann also ein Versuch von oben. Als Hintergrund habe ich ein schwarzes Papier genommen.




Manno, da sieht man ja jede Faser des Papiers.

Also auf die Suche nach einer kleinen Glasscheibe im Haushalt. Warum nicht Plexi? Plexiglas verkratzt zu schnell und lädt sich statisch auf beim Putzen. Die Samen sind dann überall nur nicht dort wo ich sie haben will.

Also mal ein paar Aufnahmen von oben ohne sichtbaren Hintergrund:





Das letzte ist Engelswurz in 2.5:1 und Blende 9.


Irgendwo hab ich doch eine Software für Focus Stacking. Nö, gehen doch nicht richtig, also Demo von Helicon Focus Pro runter geladen. Mit 8 Bildern sieht das dann so aus:





Der erste Versuch den ich gelungen finde.


Gestern kamen dann drei mattierte Glasplatten mit 15x15cm, wovon ich eine schwarz und eine weiss hinter malte.

Hier ein Versuch ungestackt (3:1):




und derselbe gestackt auf der schwarzen Glasplatte (3:1):




und als Versuch mit gelbem Papier hinter einer klaren Glasplatte:




Das gelbe Papier ist etwas unruhig. Man müsste wohl noch etwas Distanz zwischen Glas und Papier bringen damit ein 600EX das Pepier belichtet, sollte die gelbe Variante zum Zuge kommen (Auftraggeber soll entscheiden ob schwarz oder gelb, ich bevorzuge schwarz).

So, ich denke nun wie ich die Dinger aufnehmen kann, nun muss ich nur noch die Zeit finden, im Moment hab ich noch einiges zum Aufarbeiten und nächstes Wochenende sind 3 Tage Fest zum Foten. Ich werde sicherlich gegen Ende Oktober die Resultate zeigen können, bis dahin könnt ihr ja eure Erfahrungen und Tips mit dem Lupenobjektiv MP-E 65mm f/2.8 hier teilen :-)

[aisen.ch]

Ich hab ja noch einen Grössenvergleich Bleistiftspitze mit den Kleinen gemacht.

[Marcel Denkhaus]

Hoi Andreas,

danke für den thread und die Herleitung zum Ergebnis. Während des Lesens kamen mir bei dem ersten Bild mit f11 sofort Erinnerungen auf und der Gedanke "hier würde ich stacken". Der nächste Schub an Erinnerungen kam dann bei dem Thema Einstellschlitten... wie oft habe ich über meine olle Rollei-Gurke schon geflucht, die für die ABM des MPE-E leider auch nicht fein und genau genug funktioniert!

Was ich vielleicht anders machen würde wäre die Blendeneinstellung. Hier bist Du ja beim stacking auf f9 gegangen. Bei der von Dir genutzten EOS R kann die Beugungsunschärfe ab Blende 10 sichbar werden. Also auf den ersten Blick mif f9 alles richtig gemacht. Nur bedeutet f9 bei einem ABM von 3:1 eine effektive Blende f36 und damit weit jenseits des unkritischen Rahmens. Da das Motiv stacking zulässt und Du den Weg ohnehin schon beschreitest würde ich zumindest testweise ein paar mehr Fotos mit f2,8 machen, zusammenrechnen und die Ergebnisse vergleichen.
Am langen Ende ist genau das Thema der effektiven Blende einer der wesentlichen Gründe, warum ich das MP-E nicht mehr angefasst habe, seit ich nur noch die R5 habe. Mit 45MP kommt man ab dem ABM 2:1 praktisch unausweichlich in den kritischen Bereich und f2,8 sind da oftmals nicht praxistauglich, zumindest nicht, wenn man gern unter nicht vollständig kontrollierbaren Bedingungen wie "Wildlife im eigenen Garten" unterwegs ist. Das war mit der guten, alten EOS 5D noch ein anderes arbeiten...

[aisen.ch]

Hoi Marcel

Ich weiss das mit den Blenden und hab zuerst noch Blendenreihen gemacht. Ausgabe soll bis A4 sein, ich habs auf A3+ ausgedruckt. Blende 5.6 bis 9 ist ideal, 16 ist unbrauchbar und 2.8 etwas gar wenig Tiefenschärfe.
Blende 5.6 - 9 ist selbst bei 1:1 am Monitor noch scharf und ich muss nicht sooo genau arbeiten. Der Kunde zahlt nach Aufwand sowie das Einrichten, daher soll der möglichst klein sein.

[Marcel Denkhaus]

Der Kunde zahlt nach Aufwand sowie das Einrichten, daher soll der möglichst klein sein.

Okay, das Argument ist unschlagbar.
Wenn die Ergebnisse nur auf A4 präsentiert werden sollen, fällt das Thema effektive Blende ja praktisch auch nicht ins Gewicht - ich bin grad noch davon ausgegangen, dass das Ergebnis im Zweifel auch bei maximaler Vergrößerung noch kritischer Kontrolle standhalten muss.
Und ja, Du hast natürlich Recht, f2,8 erfordert ein pingeligst genaues Arbeiten, was unter den gegebenen Bedingungen zwar realisierbar sein dürfte, aber auch nur wenig Freude bereitet...

[Frank Watermann]

Toller Bericht und klasse Fotos.

[aisen.ch]

Puuuh, 16 Samen sind durch, gewisse wesentlich kleiner wie Sand und gefühlt kurz vor Mehl.

Es wurde grüner Hintergrund, dunkel und hell sowie jeweils noch auf dem "Haufen". Man glaubt gar nicht wie instabil ein stabiler Boden sein kann :-). Unser Haus ist 70-jährig und hat Holzboden. Man darf kaum atmen und schon gar nicht bewegen sonst ist sicher eine von 12 Aufnahmen daneben welche mittels Stacking zusammen gebastelt werden sollen.

Eine Herausforderung war auch, beim Stacking darauf zu achten das nicht der ganze Hintergrund fleckig wird. Die Schärfeebene wird durch den Makroschlitten gemacht und dadurch verschiebt sich die Perspektive sowie der Blitz leicht, was reicht das Helicon Muster in den Hintergrund macht. Und hat man mal Parameter gefunden wo es erträglich ist dann funktionieren die beim nächsten Motiv sicher nicht.

Hier eine kleine Auswahl:


















Der hier ist "abverheit", der Blitz spiegelt im Glas, aber es hat was.
Ich hab ihn schräg aufgenommen um die Krone drauf zu bekommen. Aber dafür das es aus 13 Aufnahmen zusammen gebastelt ist sieht es noch erstaunlich gut aus.

[ertho]

Der Aufwand hat sich in meinen Augen gelohnt, die Ergebnisse finde ich sehr gelungen.
Danke für Deine Wegbeschreibung.

[Marcel Denkhaus]

Kann mich da Erik nur nochmal mit einem Danke! anschließen. An Deinen threads mag ich besonders die Kombination aus Bildmaterial und Deine ausführlichen Angaben zum "making of".

Ist es Absicht, dass man bei den zuletzt gezeigten Bildern mit grünem Hintergrund die von Dir beschriebenen Flecken sehen kann? So oder so denke ich aber, dass man da mit relativ geringem Aufwand für Abhilfe sorgen kann.